Race Around Niederösterreich

#ran2020

Am 18.09. bis 19.09.2020 stand das Race Around Niederösterreich in seiner zweiten Auflage ganz im Mittelpunkt des Radsportgeschehens in Österreich. Mitten drinnen statt nur dabei waren unsere beiden Teamfahrer Mani Pöschl und Berni Rauch.

 

Die Eckdaten des Rundkurses rund um Österreichs größtes Bundesland können sich sehen lassen. Satte 600 Kilometer und 6000 Höhenmeter standen am Programm. Vom Waldviertel über das Marchfeld, den Semmering bis Ybbs, wieder zurück an den Ausgangspunkt in Weitra. Die Streckenführung spielte alle Stückerl und ließ keine Radlerwünsche offen. Der große Favorit des #RAN2020 war Christoph Strasser – seines Zeichens sechsmaliger Rekordsieger des Race Across America und zahlreicher weiterer Ultra-Events. Diesen Ausnahmesportler herauszufordern, war nicht das primäre Ziel unserer beiden Starter. Wie es den beiden beim RAN erging, könnt ihr in den folgenden Erfahrungsberichten nachlesen.

#57 Berni rauch

Los ging’s – runter die Startrampe - erster Kreisverkehr links - Kette rechts - leicht bergab – Tempo 55. Gleich darauf der erste Hügel, auf Zug bleiben war die Devise, das Tempo finden und halten. Die ersten Kilometer ging es wellig dahin. Der Schnitt lag nach zwei Stunden bei 35,5 km/h. Puh… die Frage kam auf, ob ich nicht ein wenig reduzieren sollte. Die zweite Option war, sich nach Christoph Strassers Taktikvorgaben aus seinem #Sitzfleisch Podcast zu orientieren. Diese lautete von Start weg ordentlich Gas zu geben. Sicherheitshalber entschied ich mich dann doch für die erste Option – immerhin hatte ich erst knapp ein Zehntel der Distanz. Meine Crew – Bernd, Benni und Patrick – war derselben Meinung nicht gleich zu übertreiben.

 

Da strampelte ich nun, nach 15 Monaten intensiver wie extensiver Vorbereitung, im Stockfinsteren mitten im Nirgendwo auf meinem Canyon Speedmax. Fein wars, es lief richtig gut, die Wellen waren kaum spürbar. Das Teamwork mit dem Pacecar lief hervorragend, das Wetter war perfekt. Von den Favoriten zog zuerst der Deutsche Robert Müller vorbei, bei km 118 dann der Strasser-Express. Irres Tempo.

Unbeirrt fuhr ich mein Tempo. Besonders wichtig war über die gesamte Zeit das Thema der Ernährung. Dazu wurden so einige Gedankengänge im Vorfeld des Rennens angestellt. Im ultracyclingshop wurde ausreichend Vorrat der Ensure Plus Nahrungsergänzung angeschafft.

 

Nach den ewig langen Geraden zwischen Laa an der Thaya und Gloggnitz erreichten wir schließlich den Semmering. Endlich ein wenig Bergfahren dachte ich mir. Endlich andere Belastungskomponenten. Am Semmering schloss ich schließlich auch zu Mani Pöschli, dem zweiten Starter unseres Vereins auf. Es war sehr fein kurz miteinander zu plaudern. Dann machte ich mich wieder auf den Weg Richtung Simmering Passhöhe.

 

Die Vorbereitung lief auch aus heutiger Sicht sehr gut. Die Berge nach dem Semmering waren hart, das Gscheid war härter. An entspanntes Runterkurbeln dieses Anstiegs war nicht zu denken, es war eher ein Kampf, die durchschnittlich 11% forderten alles ab. Marcel Hirscher wäre vor Neid erblasst, hätte er die Slalomtechnik bergauf bestaunen können. Auch dahinter stand taktisch gesehen der Vorteil, mich nicht unnötig zu überlasten. Der Wastl am Wald konnte im Vergleich dazu fast genossen werden – die anschließende Abfahrt natürlich ebenfalls.

 

Wieselburg. Desaströse Wattleistungen stellten sich ein, zusätzlich stellten sich immer größere Schmerzen im Knie sowie Fußgelenk linkerseits ein. An eine Aufgabe war zu keinem Zeitpunkt zu denken. Die bevorstehenden letzten 70 Kilometer und 1000 Höhenmeter erzeugten nicht unbedingt Vorfreude. Zum „Drüberstreuen“ überholten mich kurz aufeinander folgend drei Fahrer – einer davon war sogar über 80 und Teil der Crataegutt Seniors 80+. Zach, vor allem sein Tempo. „Das wirst ewig hören“, riefen meine Burschen unisono aus den runtergelassenen Fenstern. Gigi D‘Agostino schepperte im Takt dazu.

 

Die Crew erkannte die Lage und verabreichte mir zwei Gels und eine volle Trinkflasche - auf die wir seit drei Stunden komplett vergessen hatten. Dazu gab es Cola, ein Ensure Plus und wir wechselten die Schuhe in der Hoffnung die Schmerzen zu reduzieren.

 

Nur mit Anschubhilfe kam ich wieder in Schwung. Und wie. Es dauerte keine 2 Minuten und die Akkus waren wieder voll. Die Wattzahlen sprangen plötzlich auf brauchbare 330 Watt und wir konnten den Modus auf volle Attacke umstellen. Die Gefühlslage war wie ausgetauscht, ich bin mir fast sicher, dass der Wechsel auf die alten, durchgetretenen Gaerne den Umschwung mit sich brachten. Die mich zuvor überholenden Fahrer wurden auf den nächsten 2 Kilometern zurücküberholt und das Tempo anschließend weiter angezogen. Auch die letzten circa 30 Hügeln konnte das nicht mehr wirklich ändern, volle Attacke in jeden Hügel rein war die Devise, alles raushauen.

 

Das Ziel, unter 23 Stunden zu finishen, wurde mehr als erreicht. Nach 22:07 Stunden erreichten wir angepeitscht durch dröhnende Musik und wildes Gehupe meiner Crew die Braustadt Weitra inmitten der Xundheitswelt. Finishline. Ende Gelände.

#23 Mani pöschl

Um halb 11 ca. kommen wir mit unserem KLUDI-Bus (mehr dazu am Ende des Berichts) am vorgesehenen Parkplatz an.

 

Wir – das sind:

 

Karina Pöschl, Charly Wallner, Walter Fürlinger, Maener Gerhard und meine Wenigkeit, Manfred Pöschl.

 

Charly erledigte flugs alle Formalitäten, der Bus wurde beklebt und auch die technische Abnahme erfolgte ziemlich rasch. Dann begann die Warterei – geplante Startzeit: 16:48

 

Pünktlich um 16:48 ging es in 2 Minuten-Intervallen, bei perfektem Wetter und einem kurzen Interview, endlich los.

 

Durch das Tor des Stadtplatzes Weitra geht’s dann hinaus ins hügelige Waldviertel. Die ersten 60 km flogen nur so dahin, bis sich dann allmählich der Adrenalinspiegel wieder normalisierte. Ab jetzt versuchte nicht viel mehr als 200 Watt zu treten – eher weniger um mein Hauptziel zu erreichen – nämlich zu finishen. Sollte alles optimal laufen, dann hätte ich auf eine Zeit um die 24 Stunden gespitzt.

 

Mein Team im Betreuerauto ist unterdessen sehr gefordert – es ist nämlich nicht ganz einfach, knapp hinter einem Radfahrer herzufahren. Zuviel Abstand bedeutet, dass sich andere Autos reindrängeln, zu wenig Abstand birgt die Gefahr den Radfahrer zu überfahren. Die Trinkflaschen und auch das Essen wurden über die Beifahrerseite ausgetauscht – auch ein gefährliches Unterfangen und ab ca. 100 km gabs dann nur mehr flüssige Ernährung. Anfangs noch Schinkenstangerl und Reiskuchen, stieg ich dann komplett auf die ENSURE Flüssignahrung um. Zum Schluss des Rennens noch Bananen und Cola – das wars.

 

Mittlerweile ist es finster geworden – richtig finster. Wir befinden uns bereits im Weinviertel, als um ca. 23:45, nach ca. 200 km, bei Hohenau an der March, der Strasser-Express vorbeibrauste. Der Branchenprimus ist knappe 2 Stunden nach uns gestartet und am Semmering hatte er bereits das gesamte Feld überholt.

 

Überholvorgänge gab es übrigens  recht viele – einige überholten wir, dann wurden wir überholt. Aber sie brachten in der Nacht vor allem eines – nämlich Abwechslung.

 

Wellig flach ging es dann recht flott weiter, bis wir nach km 256 die Donau erreichten und bei Bad Deutsch Altenburg übersetzten. Hainburg war der tiefste Punkt der Strecke mit 145 m.

 

Ab Hainburg war dann der Streckenabschnitt, den ich als Einzigen im Vorfeld abgefahren bin. Also Petronell/Carnuntum, Rohrau, Bruck/Leitha, bis mir mein Team mitteilte, das in Unterwaltersdorf einige Leute auf uns warten. Von da weg war auch mein mentales Tief (eines von vielen) wieder überwunden. Ich möchte mich auf dem Weg nochmals bedanken bei Leni, Berni, Plüsch und Herbert, die um 3:15 beim BILLA-Parkplatz uns anfeuerten und uns noch köstliche Leckereien aus der Bäckerei Gutsjahr/Pöschl mitbrachten!

 

Weiter geht’s dann Richtung Wr. Neustadt, das wir um 4:26 erreichten. Nach mühsamen Ampelgehopse durch die Stadt geht’s dann auf die elendige Gerade Neunkirchner Allee, wo es dann richtig kalt wurde. 2 Grad standen auf meinem Wahoo und ich merkte gar nicht, wie gefroren meine Finger schon waren, als ich die warmen Handschuhe drüberzog.

 

Bis KM 360, Höhe Gloggnitz, ging es dann noch relativ flach, aber ab dann wartete der Semmering, mit seinen Serpentinen, der nach KM 376 um 7:04 erreicht wurde.  Inzwischen hat uns Berni mit seiner Crew erwartungsgemäß eingeholt und nach einem kleinen Plauscherl verfolgte dann jeder wieder seine eigene Ziele. Mehr als die Hälfte der Strecke lagen schon hinter uns – jedoch erst 2.500 Höhenmeter – von 6.000!

 

Frühstücksservice vom Veranstalter und ein Pflichtstopp für ein ORF-Interview war vorgesehen. In den Gesichtern meiner Crew meine ich herausgelesen zu haben, dass es um mich nicht wirklich zum Besten steht. Gefühlt hab ich mich besser, als ich anscheinend ausgesehen habe Manche andere Fahrer jedoch erinnerten aufgrund der Anstrengung und der Kälte eher an Wasserleichen als an Rennradlfahrer.

 

Nach dieser willkommenen Pause geht’s dann wieder bergab, mit Zwischensteigungen von bis zu 23% bei der Kalten Rinne, durch das Höllental bis zur Kalten Kuchl bei KM 424 um 9:25.

 

Der Ochssattel lag nur vor uns und nach einem kurzen Telefonat mit meinen Kindern ging es, davon beflügelt, nach St. Aegyd über das befürchtete GSCHEID. Nach 450 km eine ordentliche Prüfung für Körper und Geist. Nächster markanter Punkt war dann nach KM 470, der höchste Punkt der Strecke – Wastl am Wald. Von da weg gings dann endlich längere Zeit bergab. Wobei das bergabfahren durch die Müdigkeit und meine anhaltenden Nackenprobleme nicht ungefährlich war. Auf halber Strecke legte ich dann eine kurze Pause ein um nicht die Konzentration zu verlieren.

 

Die nächsten Ortschaften waren, Scheibbs, Purgstall, Wieselburg, bis wir nach KM 519, um ca. 14:00, bei Ybbs wieder die Donau erreichten.

 

Danach wurde es dann erst richtig hart – denn ab dann gings bergauf – lang bergauf und erst jetzt wusste ich, wo die fehlenden Höhenmeter waren. Kleinpertenschlag erreichten wir bei KM 562 um 16:38. Von da weg sollt es vom Streckenprofil her – vermeintlich eher bergab gehen. Aber nur vermeintlich.

 

Auf jede Abfahrt folgte ein ebensolanger Anstieg und als Draufgabe machte mein rechtes Knie leider nicht mehr mit. Was sich schon längere Zeit ankündigte, wurde dann immer ärger. Also galt es die restlichen 50 km „einbeinig“ zu bewältigen und diese 50 km wurden gefühlt nie weniger.

 

Irgendwann sind sie aber dann doch weniger geworden und nach exakt 25:37 Fahrzeit erreichten wir erschöpft aber glücklich das heiß ersehnte WEITRA um ca. 18:25.

 

Nach dem eher unspektakulären Zieleinlauf zwischen Kreisverkehr und Raika bedankte ich mich einzeln bei meiner Crew – ein sehr emotionaler Moment und auch die eine oder andere Träne wurde verdrückt. Speziell bei meiner Frau Karina. Eine Crew, für die eine solche Veranstaltung ebenfalls komplettes Neuland war und das super gemeistert hat.  Auch ihnen stand die Anstrengung der letzten 25 Stunden ins Gesicht geschrieben.

 

Kurz darauf wurde ich auf die Bühne gerufen zur Überreichung des Finisher-Pokals und einem abschließenden Interview. Leider, so wurde mir gesagt, durfte ich aufgrund Covid 19, mein Team nicht auf die Bühne für ein gemeinsames Foto rufen – andere zeigten sich aber davon unbeeindruckt. Finde ich schade, denn sie hätten sich das mehr als verdient!

 

Aus der geplanten, großen Feier danach wurde leider nichts – zu müde waren wir alle und nach nur einem Bier gings dann in unser Hotel-Motel – was immer das halt war. Für die eine Nacht hats mehr als gereicht. Die Feier, die werden wir aber auf jeden Fall nachholen!!!

 

Ich bin danach ein paar Mal gefragt worden, was einem bei einer so langen Fahrt durch den Kopf geht. Kann man dann im Nachhinein schwer sagen – man ist da nämlich ganz bei sich – horcht in den Körper hinein ob eh alles in geregelten Bahnen läuft und steuert gegebenenfalls dagegen – permanenter Systemcheck quasi. Da bleibt nicht viel, um an irgendwas anderes zu denken.

 

Ein großes Dankeschön noch an die Firma KLUDI, die nicht nur den VW-Bus zur Verfügung gestellt hat, sondern auch noch für das Benzin aufgekommen ist!!!! Hätt ich nicht schon bei mir daheim alle Armaturen von KLUDI, so würde ich spätestens jetzt alle tauschen

 

Und natürlich nochmals ein riesen DANKE an meine CREW, allen voran meine Frau Karina, Charly, Fürli und Gmeiner (Maener – im richtigen Leben), an Plüsch, Leni, Berni und Herbert, die trotz der Eiseskälte mitten in der Nacht auf uns gewartet haben und an die vielen anderen, die über den Liveticker, bzw. Livestream das Ganze mitverfolgt haben. Hätte nicht gedacht, dass das so viele tun!

 

Ob ich nächstes Jahr wieder mitfahre? Im Moment kann ich es mir nicht vorstellen – aber ich hab mir schon vieles nicht vorstellen können.

christoph strasser

Mit einer fulminanten Darstellung unterbot Christoph Strasser den bisherigen Streckenrekord um mehr als 90 Minuten und siegte in 17:30 h. Mit einem satten Schnitt von über 34 km/h ließ er seinen Herausforderern keine Chance. Vor Robert Müller zwängte sich dann sogar noch Philipp Kaider auf den zweiten Platz.

Christoph Strasser und Berni Rauch race across niederösterreich 2020 #ran2020